Ausbildungsreformbedarf
Akademisierung der Pflegeberufe: Von einem Extrem zum anderen.
November 2013: "Der Bachelor kommt ans Bett", tituliert ZEIT Online die Zunahme der Studienangebote im Bereich der Pflege. Während sich die Pflegewissenschaft für den Ausbau der Akademisierung stark macht, als sei nur auf diese Weise, Ansehen und Zulauf in die Pflegeberufe zu sichern, sehen wir darin ein weiteres Auseinandertriften von Theorie und Praxis. Da werden auf der einen Seite hochtrabende theoretische Hirngespinste ersonnen, während auf der anderen fast schon jeder eingestellt wird, der einpaar Worte deutsch spricht, arbeitswillig und köperlich fit erscheint. Kranken- und Altenpflegeschulen stellen eine hohe Abbruchrate fest, siehe Erfahrungsbericht
Bundesagentur will die Altenpflege-Ausbildung auf zwei Jahre zu kürzen.
November 2012 : Angesichts des Mangels an Pflegekräften schlägt die Bundesagentur für Arbeit eine Verkürzung der Altenpflege-Ausbildung vor. So stünden in kurzer Zeit 10 000 Pflegefachkräfte in der Altenpflege mehr zur Verfügung. Dieser Bestrebung stehen auf der anderen Seite Bemühungen der Pflegeverbände entgegen, die Pflegeausbildung auf Hochschulniveau zu bringen.
Stellungnahme zum Ansinnen eines Aktionsbündnisses
Hilfskräfte zu Fachkräften umdeklarieren
Juni 2011: Um den Druck auf die Bundes- und Landespolitik zu erhöhen haben sich die privaten Arbeitgeber und Repräsentanten der freien Wohlfahrt zu einem bundesweiten Bündnis zusammengeschlossen. Eine ihrer Forderungen lautet: "PflegeHilfskräfte zu Pflege-Fachkräften in sechs Monaten on the Job" umzudeklarieren. Außerdem wollen sie die Fachkraftquote senken.
Diesen Bestrebungen muss jeder energisch entgegenhalten, der sich um die Pflegequalität Sorgen macht. Beide Forderungen machen deutlich, dass es den Leistungsanbietern, die sich hier zusammenschließen nicht um Verbesserung der Qualität geht, sondern um möglichst billige Notlösungen.
Aktuell ist es oft so, dass Hilfskräfte in der Pflege ohne jede schulische Unterweisung in Pflegeheimen eingesetzt werden. Das heißt, sie arbeiten so wie sie es von anderen abgeschaut haben. Hatten sie gute Vorbilder, werden sie entsprechend angeleitet worden sein. Hatten sie schlechte, werden sie die gleichen Fehler machen. Reflexion findet so gut wie gar nicht statt.
Wir fordern stattdessen die Leistungsanbieter auf:
1. Mehr in die Aus- und Fortbildung von Mitarbeitern zu investieren.
2. Ein Arbeitsklima zu schaffen, bei dem die fachlich und menschlich besten
Mitarbeiter nicht reihenweise ausbrennen oder das Weite suchen.
Denn damit könnten diese dem selbstverschuldeten Pflegenotstand wirksam entgegenwirken.
An die politische Adresse gerichtet fordern wir:
1. Eine systematische Neubewertung und Neustrukturierung der Ausbildungsgänge. Dabei sind verschiedene Fachkraftlevels denkbar, diese sollte jedoch sinnvoll verzahnt werden und inhaltlich aufeinander aufbauen.
2. Eine Ausrichtung an der Pflegecharta mit der Konsequenz, dass Einrichtungen die nicht in der Lage sind elementare Grundrechte ihrer Bewohner zu gewährleisten, die Berechtigung zur Führung eines Heimes entzogen wird.
Gedanken zur Neustrukturierung der Pflegeausbildung
Neben der Form müssten auch die Inhalte der bisherigen Ausbildungsgänge einer systematischen Neubewertung unterzogen werden. In einer Vorbereitungsphase, die von pflegewissenschaftlichen Instituten geleistet werden sollten, sollte das bestehene System hinterfragt werden. Mögliche Fragen dieser Untersuchung könnten sein:
Welche Ausbildungsinhalte werden als besonders wichtig und hilfreich für die Praxis erfahren? Welche als weniger hilfreich? Welche als verzichtbar oder zu speziell?
Für welche Aufgaben in der Praxis hätte ich mir durch die Ausbildung mehr Rüstzeug gewünscht? In welchen Bereichen fühlte ich mich sicher / unsicher?
In der Vorwegnahme der zu erwartenden Ergebnisse, wer die Lehrpläne kennt und den Praxisbezug nicht verloren hat, kann da relativ schnell mit dem Rotstift rangehen und die überbordenden, wenige relevanten Inhalten wegstreichen. Wichtig ist, dass am Ende ein klares, inhaltliches Konzept herauskommt, um zukünftigen Pflegekräften die notwendigen Hilfen für die praktische Arbeit zu geben.
Meine Idee dazu:
Level 1. Grundausbildung Pflege 6 Monate.
Beginnend mit einem 1 monatigen Grundkurs Theorie, in dem die Grundpflege des Körpers, Hilfestellung bei der Ernährung, hygienische Grundlagen und wichtige Umgangsregeln vermittelt werden. Gefolgt von einem 4 wöchigen Praktikum, in dem den Schülern unter fachkundiger Begleitung Gelegenheit zur Umsetzung des Gelernten gegeben werden muss. Der 3 Monat wäre dann wieder Theorie mit dem Schwerpunkt: Reflektion der Erfahrungen im Praktikum. Was ging gut? Was ist mir schwer gefallen? Wie haben Patienten/Bewohner auf mich reagiert? Worauf müsste stärker geachtet werden? Zweiter Schwerpunkt sollte die Vermittlung kinestetischer Grundlagen für den sicheren Transfer von Bewohnern/Patienten sein, Rückenschonende Arbeitsweise, sowie Besonderheiten beim An- und Auskleiden, Betten und Lagern. Im 4 ten Monat sollte Gelegenheit bestehen das reflektierte Grundpflegewissen und die neu dazu gelernten Kenntnisse praktisch einzuüben. Wiederum unter Anleitung. Anschließend wäre erneut mit einer Reflektion und Aufarbeitung des in der Praxis erfahrenen zu beginnen. Denn nur auf diese Weise kann die notwenige Sicherheit im Umgang mit erlebten Situationen vermittelt werden. Ein weiteres Schwerpunktthema sollte die Kommunikation sein, wobei die Erfahrungen im Umgang mit Patienten/Bewohnern/Angehörigen oder Kollegen aufgegriffen werden können. Alles so konkret und praxisnah wie möglich. Im letzten Monat müssten außerdem die wichtigsten arbeitsrechtliche Grundlagen vermittelt werden. Ferner sollte Zeit zur Vorbereitung und Durchführung einer praktischen und theoretischer Prüfung mit abschließendem Zertifikat sein.
Eine solche Grundausbildung sollten alle durchlaufen müssen, die für längere Zeit in der Pflege arbeiten wollen bzw. für grundpflegrische Aufgaben in der stationären oder ambulanten Pflege eingesetzt werden. Sei es im Krankenhaus, Altenheim oder in der Kinderkrankenpflege. Wer nicht auf diesem Level stehen bleiben will, also nicht nur für grundpflegerische Aufgaben eingesetzt werden will, kann sich darüber hinaus weiterqualifizieren. Zum Beispiel:
Level 2: Fachausbildung Pflege
Hier sind verschiedene Varianten denkbar. Will man nicht alles verändern und bei den Ausbildungsrichtungen Kranken-/Kinderkranken und Altenpflege bleiben, würde mir das nachfolgend skizzierte, themenbezogenes Modulsystem gefallen.
Modul 1: Gesundheitslehre - Ernährung
Ernährungslehre - Stoffwechsel - Verdauung - Verdauungsappart, Ausscheidung. Ernährungsgewohnheiten, Ernährungsstörungen, Essstörungen, Mangelernährung, Krankenheiten auf Grund von Fehlernährungen. Gesunde Ernährung etc.
Modul 2: Gesundheitslehre - Bewegung
Anatomie und Physiologie des Bewegungsapparates - Bewegungsübungen, Verletzungen am Bewegungsappart, Krankheiten, Lähmungen, Hilfe und Hilfsmittel bei bewegungsproblemen, Schutz vor Kontrakturen und Dekubitus etc.
Modul 3: Geistige Gesundheit - Beschäftigung
Gehirn, Nerven, Denken-Lernen-Vergessen, gesunde Entwicklung und Förderung, Lernstörungen, Demenz, geistige Behinderungen, neurologische Krankheitsbilder - Umgang mit geistig behinderten Menschen. Volksseuche Demenz etc. Konzepte
Modul 4: Seelische Gesundheit und Miteinander
Der Mensch als soziales Wesen. Störungen im Miteinander, psychische Krankheiten. Hilfe in seelischen Notlagen, Kommunikation, Konfliktlösung, Deeskalation, Gewalt in der Pflege u.v.a.m.
Modul 5: Lebensgeschichte
Der Kreislauf des Lebens von der Zeugung bis zum Tod in seinen biologischen - sozialen - kulturellen - religiösen und historischen Facetten.
Modul 6: Behandlungspflege und ärztliche Assistenz
Ausgerichtet auf den Bedarf in der normalen stationären und häuslichen Pflege. Wundpflege, Sonden, Drainagen, Infusionen, Medikamentenlehre, alternative Behandlungs- und Pflegemethoden etc. Zusammenarbeit mit dem Arzt, rechtliche Aspekte.
Modul 7: Organisation und Administration in der Pflege
Dieser Teil sollte tatsächlich ziemlich am Ende stehen, weil die Auszubildenden während der Praktika ohnehin wenig Einfluss auf die Organisationsform haben und nur nach Anleitung dokumentieren sollten. Rechtskunde könnte ebenfalls am Ende stehen.
Insgesamt sollte auch das Level 2 so nah an der Praxis sein wie möglich. Fächer wie Physik, Chemie, Biologie, Soziologie, Psychologie, Pädagogik bringen in der heute vermittelten Form jwenig. Auch pflegewissenschaftliche Themen helfen an dieser Stelle niemanden weiter. Wichtige Inhalte daraus sollten jedoch themen- und fallbezogen eingebunden werden. Als Krankenschwester muss ich nicht jeden Muskel und Nerven mit Namen kennen und auch nicht jedes einzelne Krankenbild. Wichtiger wäre es aus meiner Sicht, krankmachende Mechanismen und Zusammenhänge zu sehen. Darum die Auswahl von Themenkomplexen die in Beziehung stehen wie (Ernährung - Verdauung - Ausscheidung - Stoffwechsel - Diabetes -Adipositas etc.) Nicht das abspeichern von Lehrbuchwissen bringt einen weiter, sondern die Fähigkeit Zusammenhänge zu erkennen und selbsständig ableiten zu können.
Im Unterschied zu der heutigen Ausbildung müsste die Schulung sozialer Kompetenzen im Fordergrund stehen und das geht am besten über Reflektion. Schulung von Selbst- und Fremdwahrnehmung, Wechsel der Perspektive, Rollentausch. Auch die Kritikfähigkeit kann und muss geschult werden, sowie die Kommunikation mit Menschen die schwer zugänglich sind oder schwierig im Umgang.
Eine dreijährige Ausbildung - egal in welchem Beruf, ist immer in erster Linie auf die praktische Umsetzbarkeit ausgerichtet. Wer die biologischen Abläufe und Krankheitsprozesse im Körper bis ins Kleinste verstehen will, sollte Medizin studieren, oder aber über weitere Levels Spezialwissen aneignen.
Level 3: Spezialausbildung Pflege
Anästhesie -Intensivpflege, Wundbehandlung, Palliativpflege, Hygienefachkraft u.a.m.
Level 4: Studium Pflege
Pflegemanagement - Pflegepädagik - Pflegewissenschaft