Gemeindepflegekonzept
Anregung zur Umgestaltung des Miteinanders in den Gemeinden
Mit dem hier vorgestellten Konzept - "Gemeindepflege", wollen wir den Kommunen Anregungen zur Umgestaltung geben. Es handelt sich nicht um ein erprobtes Konzept, sondern um eine Idee, mit einem prakmatischen Hintergrund. Auslöser waren meine Gespräche mit verschiedenen Bürgermeistern und kommunalpolitisch engagierten Menschen in den letzten Jahren.
Warum Kommunen ein "Gemeindepflegekonzept" brauchen
Der demographische Wandel bringt nicht nur eine "Überalterung" vieler Kommunen mit sich. Es wächst zudem die Zahl alter Menschen, die alleine in ihrer Wohnung/Haus leben, die sich mangels Zuspruch und Kontaktgelegenheiten zurückziehen aus der Gemeinschaft. Einsamkeit, das Gefühl der Nutzlosigkeit, Sinnlosigkeit, macht krank und vergesslich - bis hin zur Abhängigkeit von ständiger Pflege und Fürsorge. Neben der unerfreulichen Lebenssituation der betroffenen alten Menschen, belastet diese "Negativentwicklung" auch den kommunalen Haushalt.
In vielen Städten hat man dieses Problem erkannt. "Jeder Monat, den wir einem Bürger, den Einzug ins Heim ersparen können, ist ein Gewinn – auch für uns.", erklärte ein Bürgermeister. Immer weniger Pflegebedürftige können aus eigenen Mitteln die Kosten für einen Heimplatz aufbringen. Mit Seniorennachmittagen lässt sich der hier anstehende Bedarf nicht decken. Vielmehr bedarf es kommunaler Strukturen die verhindern, dass ein so großer Anteil alter MitbürgerInnen in die völlige Abhängigkeit geraten und zum Sozialfall werden. Und es bedarf bezahlbarer, menschenwürdiger Lösungen für Mitbürger die bis zuletzt daheim leben und sterben wollen.
Wie ein solches Konzept aussehen kann
Die Gemeinde beteiligt ihre Bürger an der Sorge für hilfebedürftige, alte Mitbürger. Dies kann in Form einer Sozialabgabe (einem bestimmten Betrag der vergleichbar dem Wassergeld oder Abwassergeld eingezogen wird) sein, oder eines freiwilligen Sozialfonds. Wie auch immer die Finanzierung gesichert wird, wichtig ist, dass Mittel und Wege gefunden werden, um die strukturellen Voraussetzungen zu schaffen.
Die Gemeinde mietet/erwirbt/erbaut ein geeignetes Haus, in dem folgende Angebote gemacht werden können:
- Verkaufsladen / Kiosk ( mit ausgewählten Produkten und Lebensmitteln für Singlehaushalte)
- Mittagstisch (gesunde, frisch zubereitete Mahlzeit zum Selbstkostenpreis, könnte ja gleichzeitig auch von Menschen mit geringem Einkommen genutzt werden.
- Frisör und Fußpflege (ausgestattet speziell für die Bedürfnisse alter und behinderter Menschen – die notfalls auch Hausbesuche machen.
- Begegnungsstädte für Nachmittags oder Abends
- Räume für Tagespflege von Menschen mit Demenz
- Behindertengerechtes Bad, so dass Hilfebedürftige, die sich alleine nicht duschen, baden können und die Investition in einen behindertengerechten Umbau der Wohnung scheuen, dort zu vereinbarten Zeiten baden oder duschen könnten und je nach Bedarf Hilfestellung erhalten.
Wie auch immer dieses Begegnungszentrum im Einzelnen ausgestaltet wird, es sollte dem Zweck dienen, dass sich nicht nur alte Menschen dort hingezogen fühlen, weil es immer nette Leute gibt, die sie fragen können, denen man sein Leid klagen kann, die sich interessieren und kümmern, wenn Bedarf besteht. Nicht zu viele Vorgaben und Vorschriften – Hauptsache gemütlich, interessant, kommunikativ. Dieses Haus sollte jedem Bürger offen stehen, schließlich beteiligt sich ja auch jeder Bürger an den Kosten und der Unterhaltung. Denkbar wäre auch die Ansiedlung dieser Begegnungsstädte an ein zentral gelegenes Heim. Kirchen und Vereine im Ort sollten ebenfalls beteiligt und einbezogen werden.
Die Gemeinde organisiert häusliche Hilfe sowie Fahr- und Begleitdienste
Dreh- und Angelpunkt ist diese Begegnungsstätte, dort sollten sich auch Dienstzimmer für Mitarbeiter und ehrenamtliche Helfer befinden, die sich kümmern.
Die häusliche Hilfe sollte folgendes umfassen:
- Regelmäßiger Besuchsdienst: Alle älteren Gemeindemitglieder die nicht von sich aus die Begegnungsstätte aufsuchen, sollten von hierfür geeigneten HelferInnen besucht werden. Möglichst frühzeitig, um sich anbahnende Probleme (Isolation, Depression, Demenz, Verwahrlosung etc.) entgegenwirken zu können. Auch Pflegebedürftige und deren Angehörige sollten regelmäßig besucht, unterstützt und einbezogen werden.
- Organisation notwendiger Haushaltshilfen (Diese Tätigkeit könnten Frauen aus der Gemeinde übernehmen, z.B. auf Basis von 400 Euro.
- Organisation eines Fahrdienstes für alle, die nicht mehr selbst Auto fahren und auch nicht zu Fuß oder mit ÖV zur Begegnungsstädte oder zur Bank etc. gelangen können. (Dies beträfe natürlich nur Mitbürger, die auch keinen Angehörigen haben, der sie fahren kann/will.
- Organisation häuslicher Hilfe/Pflege – auch über 24 Stunden. Auch hier könnte einiges über ehrenamtliche/halbehrenamtliche Bürgerbeteiligung erreicht werden.
Beispielsweise stelle ich mir vor, die Gemeinde bildet einen Pool geeigneter Frauen/Männer im rüstigen Rentenalter. Also Bürger, die nicht mehr erwerbstätig sind oder keine passende Arbeit finden, Sozialhilfe/Hartz 4 beziehen und auf diese Weise eine Beitrag für die Gemeinschaft leisten wollen/können. Voraussetzung ist natürlich die persönliche Eignung. Aufgaben gäbe es genügend, alleine es fehlt an der Organisation. Das Verhältnis von bezahlten Kräften (z.B. Sozialarbeiter, Pflegefachkräfte mit entsprechenden menschlichen und organisatorischen Fähigkeiten) und Laienhelfern auf ehrenamtlicher/halbehrenamtlicher Basis, stelle ich mir etwa 1:6 vor.
In Baden Württemberg gibt es einen Gemeinde, die sich zum Ziel gesetzt hat: "Bei uns muss kein Bürger ins Heim." Wenn dort jemand pflegebedürftig wird, und die Angehörigen schaffen das allein nicht, übernehmen ältere Frauen aus der Nachtbarschaft im Wechseldienst die Begleitung, auch Nachts. Bisher scheint das zu funktioniere.
Bei der Ausgestaltung eines lebendigen Miteinanders bis zu Letzt, sollte man der Fantasie keine Grenzen setzen!!!
Auf diese Weise könnte man auch dem drohenden Fachkräftemangel in der Pflege ausweichen. Sollte sich dieser tatsächlich in der errechneten Größenordnung entwickeln, müssten zahlreiche Heime und Krankenhäuser geschlossen werden und dies bei einem wachsenden Bedarf an Hilfe und Pflege im Alter. Den Kommunen kann man im Grunde nur raten, auf Selbsthilfe zu setzen.
Da den osteuropäischen Länder eine ähnliche demographische Entwicklung bevorsteht, bringt es nichts, auf die Hilfe aus dem nahen Ausland zu hoffen. Eine 24-Stunden Hilfe aus Polen, wenn sie legal ist, kostet inzwischen auch schon zwischen 1800 und 2500 Euro im Monat. Das kann und wird keine Dauerlösung sein, sondern eine Kompensation – die bestenfalls noch 10 Jahre Bestand haben dürfte.
Nach meiner Einschätzung gibt es in jeder Gemeinde genügend Menschen, denen es gut tun würde, wenn sie eine Aufgabe im Rahmen eines derartigen Bürgerengagements regelmäßig übernehmen könnten. Ich denke dabei vor allem an Frauen und Männer der Altersgruppe 55-75 Jahre. Man könnte aus dem Ganzen auch ein Konzept auf Gegenseitigkeit machen. Wenn ich z.B. jede Woche 10 Stunden unendgeldlich Aufgaben in der Gemeindepflege übernehme, kann ich, entsprechend der Anzahl der Stunden, die ich eingebracht habe, kostenlose Hilfe der Gemeindepflege erwarten. Wer nichts einbringt, müsste hingegen im Falle der Hilfebedürftigkeit einen bestimmten Betrag zahlen.
Wie könnten Landes- und Bundesregierungen dieses Konzept fördern.
"Begegnungsstätten" solcher Art müssten ebenso wie der Bau von Altenheimen, Schulen, Sportstätten etc. vom Bund und Land bezuschusst werden.
Sofortiger Stopp für den Bau weiterer Altenheime!!!
Finanzielle Vergünstigungen für Ehrenamtler in diesem Bereich: Z.B. Förderung des Ehrenamtes – in dem jede quittierte Ehrenamtsstunde mit einem bestimmten Betrag (Mindestlohnhöhe) auf die Rente angerechnet wird. So könnten selbst Rentner ihre Rente noch ein wenig aufbessern.
Beteiligung der Kranken- und Pflegekassen an den Kosten, schließlich handelt es sich um Präventivmaßnahmen, durch die, wenn es gut gemacht wird, bei einer beträchtlichen Zahl an Versicherten – Langzeitpflegebedürftigkeit verhindert werden kann.
Abschaffung der Pflegestufen und Einführung einer individuellen Leistungsbemessung. Ich habe dazu vor zehn und mehr Jahren schon Alternativlösungen beschrieben.
Das jetzige System erzeugt Pflegebedürftigkeit in ungeahntem Maße. Darum plädieren wir für ein Konzept mit einem präventiven – ergebnisorientierten Ansatz. Auch hierzu habe ich vor Jahren schon Ausarbeitungen gemacht.
Indem keine unnötigen Auflagen erlassen werden, in Form von Gesetzen und Regelungen, die Eigeninitiativen und Kreativität blockieren.
Weitere Anregung zum Nachdenken
Man kann Politiker mit Ärzten vergleichen, die für jedes Symptom ein anderes Medikament verordnen. Ungeachtet der Nebenwirkungen und Wechselwirkungen, sind aktuell zu viele, sich negativ beeinflussende Wirkstoffe im System, die beständig neue Krisen verursachen.
Da hilft nur eins: Entgiftung! Konsequentes, allgemeinverträgliches Absetzen sämtlicher Wirkstoffe (Regelungen) die nicht lebensnotwendig sind.
Wir müssen uns nicht wundern, dass so viele Menschen verwirrt werden, angesichts einer immer unverständlicher, undurchsichtiger werdenden Welt. Das seuchenhafte Auftreten der Demenz, ist nicht vom Himmel gefallen. Wer genau hinschaut, kann das Vergessen als Nebenwirkung einer Lebenswelt verstehen, die elementare Grundbedürfnisse von Menschen missachtet, als da wären:
- Wertschätzung und Anerkennung des Menschen als Person auch wenn diese nicht mehr produktiv teilnehmen kann.
- Dazugehörigkeit: gefragt zu sein, mitwirken zu können etc. (Vergleichbar den Naturvölkern, bei denen selbstverständlich auf die Bedenken und Rat der Alten/Ältesten geachtet wird.) So gesehen, leben wir in einer verkehrten Welt, die sich auf die Kinder und die Jugend konzentriert und die Alten am liebsten kostenneutral auslagern würde.
Wer heute in unserer Gesellschaft hilfeabhängig wird – erhält eine Pflegestufe und eine Diagnose, die ihn abstempelt zu einem Kostenverursacher. Wenn sich dann noch die Familie distanziert, Freunde und Bekannte zurückziehen, gerade in Zeiten, wo man sie am dringendsten brauchte, ist der geistige Rückzug vorprogrammiert. Solange das Problem der Depression und Demenz einzig an die Medizin und die Pharmaforschung delegiert wird, sind wir auf dem falschen Weg.
Adelheid von Stösser, im Oktober 2010