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» Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit den Menschen, welche dem Leben seinen Wert geben. «

W. v. Humboldt

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Nachbarschaftshilfe

Eigentlich wollte KarinS dem früheren Nachbarn ihrer Mutter nur mal Hallo sagen. 

"Horst", ein alleinlebender, rüstiger  Rentner von damals 69 Jahren, wird nach einem schweren Schlaganfall Ende 2003 aus der Bahn gerissen, unter gesetzliche Betreuung gestellt und in ein Pflegeheim einquartiert.

Karin S erfährt monate später von ihrer Mutter, das der "Horst", ihr früherer Nachbar, in Wiesbaden in einem Altenheim lebe.  Da sie häufiger in der Region zu tuen hat,  verspricht sie der Mutter, ihm einen Besuch abzustatten um zu hören, wie es ihm geht.    Entsetzt über die Art wie der Mann in diesem Heim behandelt wird, beschließt sie spontan ihm aus dieser Lage heraus zu helfen. Besonders missfällt ihr, dass er vom Heimpersonal wie  eine Dementer behandelt wird,  dessen Aussagen niemand Glauben schenken brauchte. Dabei hat  "Horst" sie sofort erkannt und konnte sich an alles erinnern, wie z.B. an den Namen ihrer Mutter und das Haus in dem sie wohnten. Auch sonst konnte sie  keine der landläufig bekannten Demenzzeichen bei ihm feststellen und wunderte sich, ob dieser Diagnose.  Vor allem beklagte er sich,  täglich darum betteln zu müssen, aus dem Bett geholt zu werden. Man hatte ihn in ein Zweibettzimmer zusammen mit einem sterbenen, alten Mann gelegt, der mit offenen Augen an die Zimmerdecke starrte und nicht mehr sprechen konnte.   Tag und Nacht hörte er nichts anders als das schwere Atmen und Stöhnen dieses Mannes. "Ich kann hier überhaupt nichts machen, nicht einmal fernsehen oder Radio hören.", erklärte er. 

Dieser Anblick ließ Karin S keine Ruhe.  Zunächst versuchte sie über das Personal und die Heimleitung bessere Bedingungen zu erwirken. Doch diese verwiesen lediglich an die Betreuerin. Auch die Betreuerin versuchte diese selbsternannte Angehörige abzuwimmeln. Doch mit dieser Haltung erreichte man bei Karin S das genaue Gegenteil.  Sie blieb hartnäckig, suchte Unterstützung bei Organisationen im Internet und schaffte es schließlich mit unserer Unterstützung, diesen Mann aus dem Heim herauszuholen.  Sie hatte eine Einrichtung in seinem früheren Wohnviertel gefunden und die Betreuerin schließlich überzeugen können.   Dort fühlt er sich wohl, hat ein eigenes Zimmer, einen Rollstuhl mit dem er alleine nach draußen kann, erhält regelmäßig Taschengeld und kann das Leben wieder genießen.

Er selbst ist überzeugt, dass er in dem früheren Heim nicht alt geworden wäre. "Das ist kein Leben hier. Die hätten mich besser gleich sterben lassen sollen.", so seine Haltung in der Anfangszeit nach dem Schlaganfall. Die  Berufsbetreuerin hatte diesem Mann in die Verantwortung des Heimes abgegeben. Noch als er im Krankenhaus lag, hatte sie seine Wohnung aufgelöst, mit der Begründung, dass bei seinem Zustand niemand eine solche Erholung erwartet habe.  Nichts, nicht ein einziges Kleidungsstück war ihm geblieben.  

Nach anfangs großem Widerstand hat sie sich schließlich der Beharrlichkeit der Bekannten gebeugt, die mehrfach sogar das Amtsgericht einschalten musste. Der Hausarzt berief sich auf die Kassen, die bei Leuten dieses Alters angeblich keine Rehamaßnahmen genehmigen. Nicht einmal Bewegungsübungen geschweige denn einen geeigneten Rollstuhl war er bereit zu verordnen. Heimleitung und Personal dieser Einrichtung reagierten vom ersten Augenblick an feindselig auf die Frau, die den Bewohner  aufwiegle und ihm Flausen in den Kopf setze. 

Seine Depression und angebliche Demenz verschwand alleine schon dadurch, dass da plötzlich ein Mensch daher kam, der sich für ihn interessierte und ihm helfen wollte. Durch diese neu gewonnene soziale Beziehung wurden seine Lebensgeister geweckt, Zuversicht und Humor kehrten zurück.

An diesem Beispiel kann unter anderem das Prinzip  "Hilfe zur Selbsthilfe"  gezeigt werden.  Oft reicht es alleine schon, einem Hilfebedürftigen zu signalisieren, dass du an seiner Seite stehst, in einer Weise die ihm hilft  selbstbewusst  für sich einzutreten.  Das ist in diesem Falle nachhaltig gelungen.